Traditionsreiches Portugal

Lagos: Vom Köpfen, Ausweiden und modernen Ferienanlagen

6. November 2010

Wer seinen Urlaub in einer unserer Ferienunterkünfte in Lagos verbringt, möchte sicherlich mehr über diese geschichtsträchtige Hafenstadt wissen – zum Beispiel über ihre Vergangenheit in der fischverarbeitenden Industrie.

Die erste moderne Fischkonservenfabrik in Lagos nahm ihre Produktion 1882 auf, die Eigner waren französisch (Établissements F. Delory), die Mutterfabrik befand sich in Lorient in der Bretagne, weitere Produktionsstätten in Portugal waren Setúbal und Olhão.

Fischfabriken hatte es allerdings schon in der Antike gegeben. Nur waren da die Blechkonserven noch nicht erfunden, weshalb man sich auf die Produktion von Garum beschränken musste, ein fermentierter Fischsud, der im Römischen Imperium in etwa den Stellenwert hatte wie der Ketchup in der Moderne für uns. Der Transport des Garums geschah in Tonamphoren, und da es ja glücklicherweise bereits vergoren war, konnte es darin während der langen Galeerenüberfahrten in die zentralen Abnahmestellen des Römischen Imperiums nicht noch weiter ‚verderben‘. Trotzdem aber war man froh, als man schließlich auf die Idee kam, eingesalzenen Fisch in Holzfässern zu transportieren – das sorgte immerhin für eine kulinarische Abwechslung.

Beim Ausweiden und Köpfen...

Arbeiterinnen beim Ausweiden und Köpfen

Als Mitte des 19. Jahrhunderts endlich die Blechdosen erfunden wurden und die Möglichkeit, diese luftdicht zu verschweißen, öffnete das einem neuen Industriezweig die Türen. In Öl eingelegte Sardinen, Thunfischlein, Makrelen etc…, die sich in ihrer Lake jahrelang essbar hielten und bereits portionsweise verpackt, also tischfertig ausgeliefert werden konnten!

Sobald eine neue Großladung Fisch hereinkam heulten über der Stadt die Sirenen auf – und dann ließen die Frauen alles stehen und liegen und rannte los. Wer zuerst da war, wurde für den Tag zur Arbeit ausgewählt: man saß in langen Reihen vor blanken Tischen und köpfte, weidete aus, legte in Salz ein, frittierte in Öl, trocknete und füllte in Dosen, die von Hand verschweißt wurden – die bestbezahltesten Tätigkeiten bei der ganzen Prozedur. Dann wurde sterilisiert in riesigen Kesseln auf Holzkohlefeuern, die Büchsen anschließend nochmal kontrolliert und entweder gleich ausgeliefert oder zwischengelagert.

An der Stelle des heutigen Mercado Municipal an der Avenida befand sich eine der größten Fischkonservenfabriken der Stadt – insgesamt waren es 1908 in Lagos zehn, in Portimão drei, eine in Albufeira, zwei in Faro, in Olhão sieben und in Vila Real de São Antonio an der spanischen Grenze sechs. Bis Mitte der 1970er Jahre hielt das Geschäft an – dann war’s vor der Küste mit der Fischerei im großen Stil vorbei, bzw. konnte man mit der internationalen Großfischerei nicht mehr mithalten.

Macht nix – meint die Redaktion von ‚5 Sentidos‘, dem Kulturprogrammheft der Stadt Lagos, deren Artikel ich hier zusammengefasst habe, denn dann kam der ‚turismo‘. Und ein ganzer Industriezweig wich Golfplätzen, Hotels, Vergnügungsparks und Ferienanlagen.

Algarve: Abnehmen mit Kuchen

2. November 2010

Affenbrotbaum an der Algarve

Affenbrotbaum an der Algarve

Was wir oben im Bild sehen ist ein Affenbrotbaum, der viele Namen hat. Bei den Portugiesen heißt er ‚Alfarroba‘, aber im Wörterbuch wird er auch unter ‚baobabe‘ aufgeführt – ganz ähnlich wie bei den Afrikanern, die ihn den Baum des Lebens oder ‚Baobab‘ nennen; und es geht die Legende, dass er der schönste Baum von allen sein wollte, und sich später ob dieser Hoffart derart schämte, dass er den Kopf in den Sand steckte, so dass seine Wurzeln nunmehr aus der Erde in den Himmel ragten. Wenn Sie die Algarve buchen, können Sie sich davon überzeugen: noch immer sieht es so aus, als ob er verkehrt herum in der Landschaft stehe.

Die hörnchenförmigen zwischen 10 und 30 cm langen, nahezu schwarzen Früchte werden seit der Antike auf die gleiche Art und Weise geerntet: per Stock von Hand, wobei der geübte Schläger darauf achten muss, die neuen Knospen nicht zu zerstören. Das kann keine Maschine – vielleicht aber eines Tages ein menschenartiger Roboter, der aussieht wie ein Algarvio mit Wollpullover, festem Schuhwerk, Eimerchen und Sonnenhut.

Die Schoten – zerkleinert, geröstet und zermalen, ergeben ein braunes Pulver, das dem Kakao geschmacklich ähnlich ist, jedoch nicht dessen Fett-, Zucker-, Kalorien- und Koffeingehalt hat, weshalb man Süßes auf Karobenbasis auch relativ unbedenklich in sich hineinstopfen kann – und dabei noch ein gutes Gewissen haben darf, weil es blutdruck- und cholesterinsenkend und je nach Zubereitung noch gewichtsreduzierend ist.

Blutdrucksenkend!

Blutdrucksenkend!

Cholesterinfreundliche Muffins

Cholesterinabschreckend!

Cholesterinfreundlich!

Hüftgoldvermeidend!

Man kann aus den Schoten außerdem Saft pressen, der wird dann ‚Kaftan‘ genannt, doch den habe ich hier in der Gegend noch nie gesehen. Alkohol geht auch, den kenn ich aber ebenfalls nicht – experimentierfreudige LeserInnen können das aber gerne ausprobieren und mich später von dem Ergebnis kosten lassen. Meine Kontaktdaten finden Sie hier.

Und nochwas habe ich bei der Recherche zu diesem Artikel gelernt: in der Antike dienten die kleinen, extrem harten, runden Samen der Carobenhülsen wegen ihrer gleichmäßigen Größe als Wägeinheit für Diamanten und hießen da ‚Karat‘ von einem Lehnwort aus dem Französischen, das wiederum aus dem Italienischen entstammte, das wiederum im arabischen fußte, das auf das Griechische Wort für ‚Hörnchen‘ zurückführte: keráton.

Ornithologen- und Vogelkundlerparadies Westalgarve

9. September 2010

Vila do Bispo liegt mitten im ‚Parque natural de Sudoest Alentejano e de Costa Vicentina‘. Das ist mit 70.000 Hektar (1 Hektar = 10 Quadratkilometer) das größte Naturschutzgebiet Portugals und gleichzeitig die einzige Gegend weltweit, in der Störche in den Felsenklippen über dem Meer nisten. Das tun sie normalerweise eher auf hohen Gebäuden wie Fabrikschornsteine, Bäumen, Kirchtürmen oder Strommasten.

An der Algarve gibt es noch jede Menge Störche und manchmal, wenn man ahnungslos durch die Felder wandert, erhebt sich plötzlich vor einem einer dieser riesigen, rotbeinigen, breitschwingigen Vögel und fliegt flach davon. Dann hat man ihn garantiert beim Futtersammeln gestört oder einem kurzen Nickerchen fernab der rachenaufsperrenden Brut.

Das neue ‚Centro de Interpretação‘, von dem ich schon im letzten Artikel berichtete, unterrichtet den interessieren Besucher auch darüber: die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt dieses einzigartigen, westlichsten Küstenabschnitts der Algarve, der touristisch noch nicht so zersiedelt ist wie beispielsweise der Osten, oder noch schlimmer, die spanische Küste. (Das ist auch einer der Gründe, warum in den letzten Jahren immer mehr Spanier ihren Jahresurlaub in Portugal verbringen, ihnen gefällt es an den eigenen Stränden nicht mehr.)

Also, Ornithologen oder solche, die es nach einem Besuch der West-Algarve professionell werden wollen, aufgehorcht! An Vogelarten können Sie hier beobachten: den Hasen, das Wildschwein, den Igel, den Fuchs, den Mungo, den Dachs … das sind, fällt mir gerade auf, keine Vögel, aber diese Säugetierarten leben hier auch.

Also, an Vögeln gibt es entlang der Algarve-Südwestküste: die Meise, den Kiebiz, alle möglichen Adlerarten, den Uhu, den weißen Klapperstorch, die Wachtel, den Raben, den Wanderfalken (auf Portugiesisch heißt er Pilgerfalke), die Schnepfe, den Reiher, die Stockente, den Turm- und den gemeinen Falken, das rote Rebhuhn, die Felsentaube, den Wiedehopf und die Misteldrossel. Und noch zwei Arten, die ich nicht übersetzen kann.

Unten sehen Sie einen Mungo, was die Abkürzung von Manguste (nicht L!) ist – einer ursprünglich aus dem indischen Raum entstammenden Raubtierart.

Mungo

Mungo (Foto: parquebiologico.pt)

Saca-rabos leben in der Macchie (aufmerksame Leser wissen seit meinem vorhergegangenem Artikel, was das ist), haben einen wie breit getreten aussehenden Schwanz und sind sehr menschenscheu. Ab und an brechen sie plötzlich aus dem Dickicht am Wegesrand – und dann müssen Sie für ein Erinnerungsfoto rasch reagieren. Am besten bestechen Sie dieses halbmetergroße (incl. Schwanz) Tier mit einer kleinen Mahlzeit. Halten Sie ihm eine Schüssel Wirbellose hin, Mungos stehen auf sowas – und drücken Sie dann blitzschnell ab.

Das Leben des Volkes in Vila do Bispo

6. September 2010

Vila do Bispo hat jetzt endlich ein Volksmuseum: zwei große Räume, gerade fertiggestellt. Im vorderen gibt es wechselnde Ausstellungen, die das Land- und Fischereileben der Region erläutern, im hinteren einige Stuhlreihen mit Monitor und Informationstafeln über Flora und Fauna und 8 Kästen, in dessen Inneren man Erde und Meer taktisch bzw. olfaktorisch erfahren kann.

Das Meer zum Beispiel wartet mit Muscheln auf. Man faßt durch ein armgroßes Loch und muss aufpassen, dass man sich an den spitzen Muschelrändern nicht schneidet – war ja auch eigentlich blöd, weiches Wasser zu erwarten – aber irgendwie lässt die darüberhängende Fotografie darauf schließen.
Der Strand: Sand und Steine.
Ein Feld: Weizen-Kichererbsen-Haferkern-Mix
Der Wald: Pinienzapfen

Zu riechen gibt’s dann Eukalyptus,- Pinien-, Zistrosen- und Rosmarinduft. Und das ist nicht übertrieben. Diese Düfte umgeben den hurtigen Mata-Wanderer auf Schritt und Tritt. ‚Mata‘ wird oft übersetzt mit ‚Wald‘, das ist aber nicht ganz richtig. Der korrekte deutsche Begriff dafür ist Macchie – der mir allerdings vorher auch nicht bekannt war. Jedenfalls bezeichnet er die immergrünen Niedriggehölzflächen der südeuropäischen Küsten(hinterland)regionen – weite, teils undurchdringliche Dickichtgebiete, bewachsen mit Zystrosenbüschen, Brombeersträuchern und Pinienbäumen. So ist die ‚Mata Nacional‘, deren Ausläufer bei Barão de São João die Zivilisation berühren eben kein Wald, wie wir ihn aus Deutschland kennen, sondern  über weite Teile (dorniges) Dornröschengebüsch.

Doch ich schweife ab: Das neue Volksmuseum in Vila do Bispo zeigt in seinem Ausstellungsraum wie man in der Region früher lebte („früher“ ist allerdings noch gar nicht so lange her, noch in den 90-gern konnte man von der Feldarbeit heimkehrende Familien auf ihren Eseln reiten sehen und Korbflechter vor ihren Haustüren sitzend ihrem Handwerk nachgehen). Aber es gibt zum Beispiel auch eine Fotografie vom Fischverkauf im Hafen von Sagres. Da sind die glänzenden Fischleiber alle fein säuberlich im Sand aufgereiht – und die Hausfrauen stapften da zwischendurch und befühlten und begutachteten und verhandelten und kauften.

Das Museum heißt übrigens nicht ‚museu de povo‘, sonden schlicht ‚Centro de interpretação‘ – und ich bin nur reingegangen, weil ich wissen wollte, was sie dort interpretieren. Also: es wird dort etwas ‚dargestellt‘, bzw. ‚ausgewertet‘: das Leben in Vila do Bispo, wie es früher war und wie es dazu kam, dass es heute so ist wie es ist – allerdings steht das nicht dran.

Und so findet man es: von Lagos kommend die erste Einfahrt nach Vila do Bispo nehmen, und dann auf der linken Seite; Öffnungszeiten sind Mo bis Fr 10.00 – 16.30 Uhr.

Lagos und seine Karavelle

3. September 2010

caravelle Lagos

Obern im Bild sehen Sie eine schematische Zeichnung des Nachbaus der Karavelle ‚Boa Experança‘, die seit 2001 im Hafen von Lagos verankert liegt.

Die technischen Daten sind:
Länge: 23,8 m
Deckbreite: 6,6 m
Tiefgang: 3,3 m

Großmast Höhe: 18 m , Rahe 26 m, Segel 155 Quadratmeter
Fockmast Höhe: 16 m, Rahe 20 m, Segel 80 Quadratmeter

Hilfsmoter: Penta Volvo 190 PS

Verwendete Holzarten: Strandkiefer, Eiche und Korkeiche, Cambola (wohl eine Holzart aus Mozambique), Eukalyptus

Unterbringung: 22 Personen.

Bis auf den Hilfsmotor ist noch alles so geblieben wie zu Heinrich, des Seefahrers Zeiten, der mit den Karavellen seine großen Entdeckungsfahrten entlang der Afrikanischen Küste unternahm. Das war nun endlich möglich geworden, dank der innovativen Technik dieser für das 15. Jahrhundert hochmodernen Lateinsegler, die unter den versierten Händen der besten Schiffsbaumeister des Landes ihren letzten Schliff erfahren hatten, und nun besonders „hoch am Wind“ segeln konnten, d.h. im kleinsten noch möglichen Winkel, bevor mehrfache,  zeitraubende Wendemanöver nötig wurden.

Schnelligkeit und Wendigkeit konnten auf hoher See Leben retten. Mit dieser neuen Variante Selgelschiff war es nun endlich möglich, sehr nahe am Land zu navigieren. All die Jahre zuvor hatte man gerade vor der westafrikanischen Küste auf Grund widriger Meeresströmungen einen riesen Bogen beschreiben müssen – nun  stand deren Eroberung nichts mehr im Wege…

Symbol des Christusordens
Symbol des Christusordens auf den Segeln

Heute liegt das  ‚Schiff der Guten Hoffnung‘ die meiste Zeit des Jahres im Hafen von Lagos und kann dort von Urlaubsgästen aus aller Welt (geführt) besichtigt werden. Damit beteiligt sich die ‚Boa Experança‘   „…aktiv an der Verbreitung der Algarve als Region der portugiesischen Entdeckungen und unterstützt somit besonders die Kandidatur der Stadt Sagtres, in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen zu werden…,“ (aus einer Verlautbarung der Tourismusbehörde).

Im nächsten Jahr ist die neue Abstimmung. Wollen wir also hoffen, dass es hilft.

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