Die Algarve im Frühling
Moritz 18. Oktober 2018
Mit jeder Reise geht eine ihr eigene Erwartungshaltung einher. Diese stimmt dann nicht unbedingt mit der Wirklichkeit überein. So wie im Falle jenes Aufenthalts an der früh-frühlingshaften Algarve.
Die zauberhaften Strände der Algarve einmal im Frühling genießen. Wenn die Temperatur des Meeres zwar noch ein bisschen kühler ist als im Sommer, jene der Luft aber angenehm. Wenn die Strände noch nicht von unzähligen Matten belegt sind, sondern nur spärlich. Wenn man die Sehenswürdigkeiten im äußersten Südwestens Europas nahezu für sich allein hat. Wenn man in den Lokalen nicht darum bangen muss, einen Tisch zu bekommen. Wenn das Wetter generell einfach leiwand ist, also passt.
So hatte ich mir den Aufenthalt Ende April vorgestellt. Nein, jetzt kommt kein „Es war doch völlig anders“. Wie oft stimmt schon die Erwartung oder die Phantasie mit der Realität überein? Es hat bloß das Wetter nicht mitgespielt. Das ist das einzige, was den Aufenthalt, nun ja, nicht getrübt, aber sagen wir: beeinflusst hat. Man kommt nicht umhin, dies zu erwähnen, wenn das Thermometer kaum mehr als fünfzehn Grad Celsius anzeigte. (Gut, es war die App am Handy – die von den Sensoren der Haut bestätigt wurde.) Ich könnte noch erwähnen, dass es verregnete Tage waren, und dass der Neuseeländer, der in einem Kleidergeschäft in Lagos arbeitete, gelassen raunzend erklärte, dass er, um diesem Wetter zu entgehen, aus Neuseeland nach Portugal gezogen sei.
Raunzen mussten meine Reisebegleitung und ich nicht. Das lag nicht nur daran, dass wir unser oberstes Ziel, ins Meer zu gehen, erreichten. Zu verdanken war der Badegang nicht nur unserem Mut – ich denke dabei an die Kälte des Wassers –, sondern auch dem ersten und einzigen warmen Tag des verlängerten Wochenendtrips. Im Gegensatz zu den abgehärteten britischen Urlaubern (oder gar Bewohnern?) wagten wir uns an den anderen Tagen nicht mehr ins Wasser. Die Briten stellen zu dieser Jahreszeit die größte Touristengruppe dar. Das ist nicht weiter verwunderlich, sind sie doch ob der geographischen Lage ihrer Insel(n) ganz andere Kältegrade gewohnt als jene, die meine Begleitung und ich antrafen.
Surf- und Überlebenstraining
Die niedrigen Temperaturen sollten uns nicht davon abhalten, an einem Surfkurs teilzunehmen. Wer noch nie einen Neoprenanzug getragen hat, dem sei gesagt, dass uns keineswegs kalt war, auch nicht auf den Füßen. Außerdem sprechen wir hier vom Atlantik; Surfer ohne Neoprenanzug sind hier eine Seltenheit. Die Aufwärmeinheit, bevor wir die Bretter erklimmen konnten, tat ihr Übriges.
Nach zwei Stunden, in denen trotz anfänglicher Probleme doch die eine oder andere Welle gestanden worden war, war der Spaß vorbei. Nun ging es daran, die Surfboards vom Strand wieder zum Auto zu schleppen. Es stellte sich als gar nicht so leicht heraus. Die Gezeiten sorgen auf der Praia do Zavial nämlich für Tücken. Bei Flut ist der Sandstrand Zavial von Felsen in zwei Hälften geteilt, von denen nur eine Zugang zum, also auch Ausgang vom Strand bietet. Der Kurs fand natürlich auf der abgeschlossenen Seite des Strandes statt. Aber wir kamen gerade noch rechtzeitig vor der Flut auf die andere Seite. Andernfalls gäbe es diesen Text vielleicht nicht.
Die Strände, die Strände!
Auf der Rückfahrt vom Surfunterricht wurde bei der Ruine Almádena halt gemacht. Von dort nach Westen blickend ließ sich die Bucht der alten Hütten erahnen. Wer der Übersetzung nicht traut, möge im Wörterbuch unter „Cabanas Velhas“ nachschlagen. Der Osten gab den Blick auf die Bucht von Salema frei, was im Autor den Wunsch hervorrief, auch diesen Ort zu besichtigen. Seither bin ich um ein ungestilltes Bedürfnis reicher.
Die Strände und Buchten der Algarve haben im Frühling generell eine besondere Aura. Man könnte sich noch so sehr über das Wetter beklagen, das Bild der von grünen Pflanzen und Büschen umgebenen Strände wird nicht getrübt. Dabei habe ich die Strände so wahrgenommen, als wären sie von einem Schleier umgeben. Ganz besonders gilt das für jene von den Felsmassen bedrängten Buchten in Lagos, die sich von der Hafenausfahrt bis zur Ponta da Piedade erstrecken.
Welcher der vielen Strände von Lagos dieser nun ist, kann der Autor nicht mehr sagen. Was wir aber noch wissen: Man passiert ihn, wenn man die Küste entlang zur Ponta da Piedade geht.
Eine faszinierende Unterkunft und eine offene Rechnung
Und wenn der Regen dann doch einmal zu heftig war, blieben meine Reisebegleitung und ich eben in der Wohnung. Diese, im Zentrum der Altstadt von Lagos gelegen und mit einer Dachterrasse ausgestattet, war ein Höhepunkt unseres Kurztrips. Die Terrasse offenbarte einen Blick über die Dächer von Lagos, der den maurischen Einfluss auf die Algarve andeutete. Und direkt neben uns befand sich ein niedliches, leider aber verfallenes Haus, auf dessen Dach eine Möwe brütete. Mit diesem Ausblick könnte ich mein Leben lang jeden Tag frühstücken, schwärmte meine Begleitung, als wir am ersten Morgen unser Mahl auf der Terrasse verzehrten. Sie meinte nicht bloß die Brutstelle nebenan.
Einen gänzlich anderen, aber nicht minder beeindruckenden Ausblick bot der südwestlichste Punkt Europas. Über den Cabo São Vicente wurde ja bereits berichtet, darum soll bloß eine Kleinigkeit erwähnt werden. Kurz nach Sagres wurde eine offene Rechnung beglichen: Der Autor konnte am Kap endlich seine letzte Bratwurst vor Amerika verzehren, die er bei seinem letzten Besuch dort nicht bekommen hatte. Denn es gibt dort tatsächlich einen Bratwurststand, der damit wirbt, diese letzte Bratwurst anzubieten.
Ich würd‘s wieder tun
Wer ruhige Straßenzüge bevorzugt und nicht unbedingt einen Sommerurlaub braucht, ist mit einem Trip an die Algarve im Frühling gut beraten. Auch bei Temperaturen unter zwanzig Grad lässt sich viel unternehmen. Ich würde auch wieder fahren. Dann wünsche ich mir trotzdem ein paar Grad mehr.
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