Kleine Muskeln und Rotwein – Leckerbissen der Algarve
Vera Henkel 14. Juni 2010
Nun hat es ja letzte Tage wieder etwas geregnet, also sind noch ein paar Schnecken da – also gehen die Algarvios wieder auf Leckerbissensuche. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie um diese Jahreszeit in Ihrem Algarveurlaub noch überall dick eingemummelten Einheimischen mit Eimerchen und Stöcken in der Hand begegnen. In die Eimer kommen die Schnecken, mit den Stöcken werden sie von den Disteln abgeschlagen und die doppelte Kleidung ist Schutz.
Die Schnecken sitzen überall. Von Mauern, Zystrosensträuchern, Baumstämmen, Agaven, verrosteten Autowracks, die gelegentlich in der Landschaft liegen, und eigentlich jedem beliebigen anderen sonnigen Plätzchen kann man sie abflücken. Das Sammeln ist zwar etwas mühselig – die heiße Sonne brennt einem in den Nacken, man geht gekrümmt, man treibt sich Kakteenstacheln in die Finger und wird von dolchspitzen Yuccapalmzweigen in den Hintern gepiekt, aber dafür hat man recht schnell ein oder zwei Eimer zusammen, weil Schnecken so gern alle auf einem Haufen hocken. Dann eilt man nach Hause. Schnecken haben ja zu Unrecht den Ruf furchtbar langsam zu sein – das sind sie nur im Vergleich mit uns – aus dem Eimer schleimen sie sich immer sehr schnell wieder raus.
Nun wäscht man sie erstmal in Salzwasser so lange bis sie aber auch wirklich kein Fitzelchen Schaum mehr absondern und dünstet sie dann in Olivenöl. Etwas Wasser dazu und gehackte Knoblauchzehen und einen Zweig Thymian oder Rosmarin und Salz und Pfeffer. 10 Minuten. Dann mit der Schaumkelle herausnehmen und servieren.
Bei meinen früheren Nachbarn in Raposeira sah das dann so aus, dass sie die fertigen Schnecken einfach in der Mitte ihres Küchentischs zu einer kleinen Pyramide aufhäufelten. Dann bekam jeder eine Haarnadel und der Herr des Hauses eine Henkeltasse Wein, und es ging los: Schnecke aus dem Haus puhlen, kleinen schwarzen Darm abtrennen, essen. Wobei essen ja so eine Sache ist. Erst mal genug im Mund haben. Also sammelt man in der Backentasche, bis man das Gefühl hat, nun auch wirklich einen anständigen Bissen zu haben, kaut darauf herum, schluckt dann sehr schnell und nimmt – ohne erst zu fragen – aus der Hausherrentasse einen großen Schluck.
So geht es nämlich nicht.
Schnecken sind Happen – Häppchen. An denen sättigt man sich nicht, sondern speist sie, Muskelchen für Muskelchen nebenbei, während man sich unterhält, und eventuell Brot in die Sauce tunkt und auch mal woanders hinguckt.
Dann können sie schmecken.
- Traditionsreiches Portugal
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