Traditionsreiches Portugal

Zikaden in Knoblauch – Erinnerungen an die Algarve

26. August 2010

Lange Jahre habe ich gedacht Zikaden sind Bäume, und selbst als ich erfuhr, dass das nicht der Fall ist, habe ich mich ewig nicht an dieses Wort als eine Bezeichnung für ein Insekt gewöhnen können. Zikade klingt viel größer, eigentlich noch nicht einmal wie ein Baum – ehr wie ein Gebäude – ein Hochhäus wäre am ehesten noch vorstellbar.

Aber so ist es ja nun nicht. Zikaden sind circa 1 cm lange Insekten, die hopsen und auch fliegen können und bevorzugt im Süden vorkommen – also auch in Portugal und hier an der warmen Algarve. Das besondere an ihnen ist, dass sie sich nur alle 13 oder 17 Jahre entlarven.  Sie kriechen dann aus ihren Schaumnestern unter der Erde an die Oberfläche, trocknen dort ihre Flügel, und los gehts in den kurzen Zikadensommer, in dem es gilt ein begattungswilliges Weibchen zu finden und diesem dann eine möglichst große Kinderschar zu hinterlassen.

Der Zikadengesang ist nämlich nichts anderes als ein Liebesruf – und zwar ein ohrenbetäubender – wenn von einer Gruppe tetesteronüberschäumender Männchen erzeugt. Als ‚Gesang‘ in dem Sinne kann man ihn auch gar nicht bezeichnen, finde ich. Es ist ein heller, mechanischer Sound – autonom, selbstbewusst, extrem laut – noch am ehesten zu vergleichen mit der ersten Generation an Dampfkochtöpfen, wenn alles fertig gekocht war und der Dampf laut zischend entwich.

Ich habe ja mal in Raposeirea gewohnt und dort neben einer Familie, die so ein Ding hatte. Inzwischen bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob sie wirklich an jedem heißen Sommertag damit hantierten, oder ob ich vielmehr den Zikadengesang damit verwechselte – irgendwie kann ich mir im Nachhinein gar nicht mehr vorstellen, dass sie sich wirklich derart einseitig ernährt haben sollten.

Zikaden sind für Menschen nicht gefährlich, wohl aber für manche Pflanzen, weil sie sich von ihrem Saft ernähren, den sie durch ihren Rüssel quasi wie durch einen Strohhalm einsaugen. Es gibt mehrere Arten und sie sehen auch verschieden aus. (Googeln Sie mal, wenn es Sie näher interessiert – dies ist ja eher ein Blog für schöne Ferienhäuser an der Algarve.) Gemeinsam ist ihnen aber allen, dass sie sehr gut schmecken.

Man sautiert sie in Petersilie und Butter oder röstet sie kurz in der Pfanne mit Knoblauch an. Und hier noch ein ganz besonderer Tipp: Vor Ort einfrieren und dann mit ins Flugzeug nehmen und später in Deutschland für ein Algarve-Urlaub-Erinnerungs-Festmahl verwenden – kann man sie auch.

Steine und Schweinebeine – portugiesische Rezepte

23. Juli 2010

Pombos guisados com ervilhas
Geschmorte Tauben mit Erbsen (ersatzweise Stubenküken!)

Cabidela de galinha caseira
Hühnerreis im eigenen Blut (wobei ich mich gar nicht erinnern kann, dass Reis blutet)

Sopa de Pedras
Steinsuppe.

Hierzu gibt es eine Legende:
Eines Tages klopfte ein Mönch an die Tür eines Reichen im Ribatejo und bat um etwas zu essen. Der geizige Großgrundbesitzer wollte aber keinen Hungerleider bewirten und daher die Tür gleich wieder schließen, doch der Mönch hatte seinen Fuß dazwischen. „Werter Herr“, sagte er, „erlaubt mir wenigstens an Eurem Herdfeuer mein eigenes, mageres Süppchen aus einem Stein zu kochen!“

Der Geizige wunderte sich, dass man Steine abkochen konnte, davon hatte er noch nie gehört, und falls das stimmte, war das ja wohl eine phantastische Geschäftsidee – und so gab er seine Einwilligung unter der Bedingung zusehen zu dürfen.

Der Mönch warf also einen Stein in einen Topf, füllte ihn mit Wasser, hing ihn übers Feuer und schmeckte nach einiger Zeit ab. „Mmmmmmh! Köstlich!“ rief er aus, „es fehlt eventuell nur noch ein wenig Speck!“ Der verdutzte Bauer gab ihm daraufhin eine Schwarte. Als nächstes war die Suppe wieder köstlich, aber es fehlten Würstchen. Auch die bekam der Mönch angereicht, und dann noch ein paar Möhren, Bohnen, Kartoffeln, Weißkohl, gewürfelte Tomaten – und einen Schweinefuß.

Der Reiche probierte und fand die Suppe auch sehr lecker, und bekam sogar ein Schälchen ab. Und stand dann noch lange – der Mönch war schon längst wieder über alle Berge – vor seinem leeren Vorratsregal und wunderte sich und wunderte sich…

Des Portugiesen Liebstes: der Bacalhau

2. Juli 2010

Stockfisch ist an Stöcken bzw. einem Holzgestell getrockneter Fisch, der zur weiteren Konservierung stark eingesalzen wird. Die Portugiesen haben dabei ein ganz besonderes Verfahren (Bacalhau de cura traditional portuguesa) entwickelt, das sich von dem anderer Nationen im Großen und ganzen in der Länge der Lufttrocknung und der ausschließlichen Verwendung von reinem Meersalz unterscheidet.

Fisch, Sonne und Salz

Fisch, Sonne und Salz (Foto wikipedia)

Schon im Mittelalter wurde frischer Fisch auf diese Weise konserviert und war damit transportfähig: nun konnte man auch das Landesinnere flächendeckend mit Fisch versorgen, der die laffen vegetarischen Mahlzeiten an den katholischen, fleischfreien Freitagen und in der österlichen Fastenzeit bereicherte. Schnell auch entwickelte sich der Stockfisch zu der Proviantform auf Reisen und bildete eines der Fundamente auf dem die portugiesischen Entdeckungsfahrten (monatelang auf See) überhaupt erst möglich wurden.

Die Portugiesen – so heißt es – kennen 365 Methoden ihren geliebten Bacalhau zuzubereiten, für jeden Tag eine – doch das ist wahrscheinlich noch untertrieben. Eigentlich kann man jedem Gericht eine Portion Stockfisch untermischen, bzw Bacalhau als Grundlage für jegliche, erdenkliche Mahlzeit verwenden. Es soll sogar süße Stockfischnachtische geben – wahrscheinlich noch mit dieser schweren,  gezuckerten Kondensmilch drauf, die sich besonders an der Algarve ungebrochener Beliebtheit erfreut.

Ich probier ja gern alles mal – aber das nun lieber nicht.

Kleine Muskeln und Rotwein – Leckerbissen der Algarve

14. Juni 2010

Nun hat es ja letzte Tage wieder etwas geregnet, also sind noch ein paar Schnecken da – also gehen die Algarvios wieder auf Leckerbissensuche. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie um diese Jahreszeit in Ihrem Algarveurlaub noch überall dick eingemummelten Einheimischen mit Eimerchen und Stöcken in der Hand begegnen. In die Eimer kommen die Schnecken, mit den Stöcken werden sie von den Disteln abgeschlagen und die doppelte Kleidung ist Schutz.

Die Schnecken sitzen überall. Von Mauern, Zystrosensträuchern, Baumstämmen, Agaven, verrosteten Autowracks, die gelegentlich in der Landschaft liegen, und eigentlich jedem beliebigen anderen sonnigen Plätzchen kann man sie abflücken. Das Sammeln ist zwar etwas mühselig – die heiße Sonne brennt einem in den Nacken, man geht gekrümmt, man treibt sich Kakteenstacheln in die Finger und wird von dolchspitzen Yuccapalmzweigen in den Hintern gepiekt, aber dafür hat man recht schnell ein oder zwei Eimer zusammen, weil Schnecken so gern alle auf einem Haufen hocken. Dann eilt man nach Hause. Schnecken haben ja zu Unrecht den Ruf furchtbar langsam zu sein – das sind sie nur im Vergleich mit uns – aus dem Eimer schleimen sie sich immer sehr schnell wieder raus.

Nun wäscht man sie erstmal in Salzwasser so lange bis sie aber auch wirklich kein Fitzelchen Schaum mehr absondern und dünstet sie dann in Olivenöl. Etwas Wasser dazu und gehackte Knoblauchzehen und einen Zweig Thymian oder Rosmarin und Salz und Pfeffer. 10 Minuten. Dann mit der Schaumkelle herausnehmen und servieren.

Bei meinen früheren Nachbarn in Raposeira sah das dann so aus, dass sie die fertigen Schnecken einfach in der Mitte ihres Küchentischs zu einer kleinen Pyramide aufhäufelten. Dann bekam jeder eine Haarnadel und der Herr des Hauses eine Henkeltasse Wein, und es ging los: Schnecke aus dem Haus puhlen, kleinen schwarzen Darm abtrennen, essen. Wobei essen ja so eine Sache ist. Erst mal genug im Mund haben. Also sammelt man in der Backentasche, bis man das Gefühl hat, nun auch wirklich einen anständigen Bissen zu haben, kaut darauf herum, schluckt dann sehr schnell und nimmt – ohne erst zu fragen – aus der Hausherrentasse einen großen Schluck.

So geht es nämlich nicht.

Schnecken sind Happen – Häppchen. An denen sättigt man sich nicht, sondern speist sie, Muskelchen für Muskelchen nebenbei, während man sich unterhält, und eventuell Brot in die Sauce tunkt und auch mal woanders hinguckt.

Dann können sie schmecken.

Sklavenzwicken – oder die wilde Spiele der Germanen an der Algarve

27. Mai 2010

Schon die alten Germanen fuhren mit ihren Kindern an die Algarve in die Ferien und mieteten sich dort ein Ferienhaus. Damals musste man aber noch ziemlich wohlhabend sein, um solch eine weite Reise unternehmen zu können, und wer es sich eben leisten konnte, reiste nicht nur einfach in den sonnigen Süden, sondern lenkte sein Pferdegespann ein bisschen weiter in den Westen – weg von der Riviera, wo sich Hinz und Kunz und Franz tummelten.

War man endlich in Lagos an der Algarve angekommen, erwartete einen am Ortseingang ein berittener Führer, der das Emblem der entsprechenden Algarve Ferienhaus Agentur (Vilalaia) auf seinen Brustharnisch eingraviert hatte und meist eine erste Erfrischung bereithielt: einen jungen, noch „grünen“ Vinho Verde – in Spezialbehältern im Rio Bensafrim gut gekühlt – und nun den ermüdeten Reisenden eingeschenkt, die aber meistens zu erschöpft waren um diesen Willkommensgruß angemessen zu genießen.

Die Germanen wären blass geworden vor Neid.

Die Germanen wären vor Neid erblasst.

In der Ferienvilla schließlich wurden als erstes die Zimmer verteilt, die Körbe, Kisten und Koffer ausgepackt, die Pferde getränkt und die vorgebratenen Fasanen verspeist – bevor man richtig relaxen konnte und die Dienstboten sich auf den Weg in die Stadt machten, um die Lebensmittel für den nächsten Tag zu besorgen. Die Sprache der Nahrungsbeschaffung ist universell – und wer sich dennoch nicht gleich verständlich machen konnte zeigte einfach auf seinen geöffneten Mund.

Zum Ferienanwesen gehörten – wie heute auch – meistens ein großer, gepflegter Garten und ein steinernes Wasserbecken, dessen angrenzende Liegefläche von Palmwedel schwenkenden Sklaven beschattet wurde. Die Spiele der Kinder unterschieden sich nicht sonderlich von denen der Kinder heutzutage. Schon immer machte es Spaß die Erwachsenen mit Wasser zu bespritzen, der Großtante Geckos ins Bett zu legen, im Pool zu toben und die Sklaven in den Hintern zu zwicken.

Am Strand baute man gerne Sandburgen und ließ sich kopfüber in die Wellen fallen – da wurden auch die Erwachsenen schnell wieder zu Kindern und standen diesen an Spieleerfindungsreichtum in nichts nach. Auch allerhand Schmuck und Tand aus Strandgut wurde angefertigt und abends stolz auf der Avenida vorgeführt, die mit Teerfackeln beleuchtet und von  Straßenhändlern bevölkert war, die frisch gegrillte Sardinen feilboten, Elfenbein aus Afrika, Süßigkeiten aus dem Maghreb – oder einen in eine der Hafenspelunken hineindrängten, wo der Bär auf den Tischen tanzte und die Fischersfrauen kehlige Gesänge von sich gaben.

Am Ende der Ferien wurde dann noch kräftig eingekauft. Andenken (Muschelmännchen, Pfeiffenköpfe, vergoldetet Fischgräten) waren und sind zweckfreie – und meist noch nicht einmal sehr schöne  – Kleinigkeiten, die aber in ihrer offensichtlichen Nutzlosigkeit den uneingeschränkten Geist von Freiheit und Wohlergehen in sich bergen.

Dieses geheime Wissen eint von je her Reisende aller Länder in Raum und Zeit.

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