Rogil I (Impression)

17. Juli 2009

Rogil erstreckt sich ganz flach links und rechts der Hauptstraße, die es durchschneidet. Kommt man vom Süden her, empfangen einen die Gerippe von im Bau gestoppter Häuser – die stehen schon ewig hier und verfallen jedes Jahr mehr.

Ich sitz im Café, hinter mir, aber noch einige Kilometer entfernt, die Küste. Ich guck in die andere Richtung aufs Monchiquegebirge, dessen Ausläufer dunkelgrau, mittelgrau, die am weitest entfernten blassgrau, fast wolkig und transparent erscheinen.

Die Straßenfegerin trägt eine neongelbe Weste und fegt mit Besen und Kehrschaufel die Bordsteinkanten vom Staub der Straße und verwehtem Meersand frei. Den Inhalt der Kehrschaufel kippt sie dann jeweils hinter sich auf den Rasenstreifen, wobei der Wind die Hälfte gleich wieder auf die Straße weht. Ein Großlaster nach dem anderen brummt vorbei und stößt seine Abgase in die Luft, die ich, im Café auf gleicher Höhe sitzend, sogleich inhaliere.

Wagenladungen braungebrannter Straßenarbeiter in Ripphemden und Baseball-Kappen; ein alter, tattriger Mann, dessen Hemdzipfel um seinen dicken Bauch herum hüpfen.

Es ist, als bestünde die Aktivität dieses Ortes darin, dass seine Bewohner seine Hauptverkehrsader auf und nieder fahren, langsam, telefonierend oder schneller, in Geschäfte verwickelt, die sie direkt am Mobil erledigen, obwohl das während der Fahrt verboten ist – bis es Abend wird. Dann parken sie ihre Autos links und rechts der Straße und verschwinden in ihren Häusern.

13 Uhr. Die LKW-Fahrer springen aus ihren Boxen: Mittagspause. Um diese Zeit des Tages sind die Straßenränder plötzlich voll von hintereinander aufgereihten Trucks. Um fünf vor eins ist alles noch frei. Um Punkt eins sieht man wieder hin – es geschieht merkwürdigerweise völlig lautlos – und lückenlos reiht sich Wagen an Wagen – man reibt sich die Augen und traut ihnen nicht.

Ich hab den Mercedes einer Freundin in Rogil in die Werkstatt gefahren – ein quittengelbes Monstrum, schon ziemlich eingedellt, aber er beschützt einen bei der gemächtlichen Fahrt. Es sagt: stör dich nicht an mich, guck dir die Gegend an: die hellbraune, sonnenversengte Hügellandschaft der Südwestalgarve, die nach Aljezur dann in eine winddurchzauste Ebene übergeht – ein flaches, staubiges Land, welches an der einen Seite einfach in den Atlantik fällt.

Auf dem Rückweg lauf ich ein Stück die Landstraße entlang, bis ich die Lust daran verlier, und streck dann den Daumen raus. Ich habe noch nie schlechte Erfahrungen beim Trampen gemacht. Die Portugiesen sind immer höflich, sehr nett und freuen sich über ein Gespräch.

Sobremesa

13. Oktober 2008

Der Pudding hinter der Glasvitrine in der Casa dos Pastos do Rodrigues in Raposeira schwitzt und schwitzt. Es geht ihm dreckig, das fällt jedem auf, der am Tisch sitzend, seitlich einen Einblick hat. Nur das Pächterehepaar hat keine Augen für das Elend seiner Eierspeise und bietet sie weiterhin für einen Euro fünfzig die Portion an.

„Bitte, bitte!“ betet der Pudding, Himmel hilf und lass sich jemand erbarmen! Gleich kipp ich zur Seite, ich kann nicht mehr!“ Aber Gott ist grad unterwegs und der Nachtischengel hat auch zu tun, und deshalb hört keiner das Flehen des geringsten Bruders, der nun langsam beginnt, in sich zusammen zu sacken. Ein kurzes Vibrieren, ein letztes Zucken, die Gelatine entspannt sich, platsch – nun kann man die ganze Sache beim besten Willen nicht mehr anbieten, höchstens als kalte Suppe mit einer Waffel drin.

Ich trink meinen Kaffe und seh im Augenwinkel Sr. Rodrigues draußen an den Sonnenschirmen fummeln. Ein kleines, kümmerliches Männlein, auf eine ungesunde Art mager und irgendwie ein bisschen zu grünlich blass.

Dorfkatzen, Raposeira, Sommer…

17. September 2008

Tagsüber räkeln sich die Katzen an ihren Lieblingsplätzen, meist dicht an den dicken, unordentlich aufeinander gemauerten Hauswänden zu zweit und zu dritt. Sie sind halb wild, versammeln sich aber zu Frühstück, Mittagessen und Abendmahlzeit um die Töpfchen mit den Essensabfällen, die von den Hausfrauen in bestimmten Nieschen für sie abgestellt werden. Wenn ich an ihnen vorbeilaufe, beobachten sie jede meiner Bewegungen – ihre Augen weit aufgerissen, fluchtbereit, leicht geduckt, als würden sie erwarten, dass ich ihnen gleich mit der Mülltüte eins über ziehe.

Ich weiß nicht, wie sie auf diese Idee kommen. Ich bin immer höchst freundlich, lächle sie an und frage mich, was sie wohl über uns Fremde in diesem Dorf , in dessen Gassen die alten Mütterchen ihre kurzbeinigen Haushündchen noch bis zum Mittag in Pantoffeln und eng gemusterten Morgenmänteln ausführen, und aus dessen dunklen Cafés heraus die alten Männer ihre Enkel anfeuern – die auf ihren Enduros die Dorfstraße hinauf jagen, als gäbe es unter der sengenden Julisonne keine trägen Hunde und spielenden Kids.

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