Zahnweh in Portugal: O Dentista

2. Januar 2010

Zahnarzt heißt auf Portugiesisch ‚dentista‘.
„Onde fica um dentista?“ fragen Sie einen Passanten auf der Straße, wenn Sie in einem unserer Ferienhäuser an der Algarve Urlaub machen und plötzlich von heftigen Zahnschmerzen geplagt werden. Oder Sie zeigen einfach auf ihre geschwollene Wange, falls Ihre Aussprache zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr die beste ist.

Portugiesen sind sehr höflich und in der Regel sehr hilfsbereit. Es kann Ihnen passieren, dass es sich der von Ihnen Angesprochene daraufhin nicht nehmen lässt, Sie persönlich zu seinem Zahnarzt hinzugeleiten. Sie folgen ihm also durch die verwinkelten Altstadtgassen bis Sie vor einer hohen, mit Eisen beschlagenen, lackblättrigen Holztür stehen, an der kein Hinweisschild auf eine Arztpraxis angebracht sein muss.

Ihr Begleiter führt sie hoch in die erste Etage, wo Sie sich mit dem letzten Treppenabsatz direkt vor der Theke einer hochmodern eingerichteten Zahnarztpraxis befinden. Die MTAs sprechen alle Englisch, Ihr Führer lässt es sich dennoch nicht nehmen, Ihren Fall ausgiebig auf Portugiesisch zu schildern, man führt Sie in ein helles Wartezimmer mit weißen Lederfreischwingern und jeweils einem Wasserspender und einem Expressoautomaten in den Ecken rechts und links neben der Tür.
Dann verabschiedet sich Ihr Begleiter, nicht ohne Ihnen noch einen wunderschönen Urlaub zu wünschen, alles Gute für die Familie und genießen Sie diese wundervolle Umgebung – im Gegensatz zu uns Deutschen ist der Portugiese stolz auf sein Land, aber auch freigiebig: er freut sich, wenn andere es besuchen. Den ganzen Beitrag lesen »

Portugiesische Redwendungen, Quiz

19. November 2009

Wenn man ins Ausland reist, ist es immer gut, ein paar Worte der Landessprache zu können, allerdings kommt man mit dem Verstehen des Portugiesischen an der Algarve ja nicht so sehr weit, wie ich es hier schon öfter ausgeführt habe.

Heute will ich Ihnen deshalb an dieser Stelle ein paar portugiesische Redewendungen aufzeigen. Die müssen Sie nicht verstehen, das ist das Gute daran, denn Redewendungen – egal in welcher Sprache – führen über die reinen Vokabeln hinaus. Man versteht sie erst – und dann gleichzeitig mit ihnen ein bisschen mehr über die Mentalität des Volkes – wenn man die Landessprache perfekt beherrscht, um ihre dahinterliegende Bedeutung erkennen zu können.

„Comer as palavras“ (1) – die Worte essen. Was könnte das zum Beispiel übertragen bedeuten?
Sich soviel Worte einverleiben, dass man sich nachher in jeder Situation perfekt und passend ausdrücken kann? Oder: soviel Worte essen, dass am Ende keine mehr da sind, die man benutzen könnte?

„Morrer de sono“ (2) – wörtlich übersetzt: an seinem Traum sterben, träumend sterben. – Ein besonders schrecklicher Albtraum also, von dem man erst gar nicht mehr erwacht? Oder vielleicht eine so große Sehnsucht  in sich haben, dass man daran sterben könnte?

Isto „dá-me água pela barba“ (3) – also: dieses macht, dass mir das Wasser bis an den Bart steht. Das ist einfach und können Sie sich eigentlich denken, wir haben ja im Deutschen etwas ganz ähnliches, allerdings nur bis zum Hals.

Die Redewendung: „fazer ouvidos de mercador“ (4) ist sehr aussagekräftig, wenn man sie richtig versteht. Wörtlich übersetzt heißt sie nur – das Gehör eines Geschäftsmannes annehmen – allerdings wird sie häufig auf Kinder angewendet, die besonders gut in dieser Übung sind.

„Estar com dor-de-cotovelo“ (5), also Schmerzen am Ellenbogen haben. Ich weiß ja nun, was das bedeutet, aber ich muss zugeben, da wäre ich nicht im Leben drauf gekommen, weil ich die Verbindung zu dem Inhalt nicht herstellen kann. Genauso wenig wie bei  „sentir dor-de-cotovelo“ (6), also Schmerzen am Ellenbogen fühlen. Wie kommt das zustande? Die Übersetzung finden Sie am Ende des Textes – aber kann mir das jemand erklären?

Und wer ist wohl der „Senhor João Pestana“ (7), also der Herr Hans Wimper, der uns abends besucht?

(1) die Worte verschlucken
(2) zum Umfallen müde sein
(3) das Wasser bis zum Hals stehen haben
(4) sich taub stellen
(5) eifersüchtig, neidisch sein
(6) Liebeskummer haben
(7) der Sandmann

Evolution

24. August 2009

Da die mehr als 5000 Millionen Jahre, die die Erde gebraucht hat, sich zu entwickeln nicht wirklich vorstellbar sind, gibt es das 100-Jahre Modell, welches unserem beschränkten menschlichen Zeitbewusstsein auf die Sprünge hilft.

Demnach formten sich die ältesten uns bekannten Gesteine im Jahre 15, und das erste, noch recht primitive Leben in Form von Bakterien und Algen erschien 12 Jahre danach. Dann war lange Zeit nichts. Dh, die Algen wurden größer und gingen mal mit den Bakterien aus – aber sonst war, außer dass die Kontinente auseinanderdrifteten und man plötzlich Verwandte in Amerika haben konnte,  nicht viel los – bis, endlich! im Jahe 92 hie und da Amphibien aus den Ozeanen krabbelten – noch recht verschüchtert, aber glücklich, mal die Sonne zu sehen.

Vor drei Jahren gabs Dinosaurier, aber vor zwei starben sie wieder aus. Vor drei Wochen probierte in Afrika der erste Halbaffe den aufrechten Gang und erfand Axt, Bohrer und Vorlegegabel, vor 2 Stunden endete die letzte Eiszeit und man konnte wieder oben ohne gehen.

Vor 2 Minuten begann die Industrielle Revolution, vor 3 Sekunden betrat Neil Armstrong den Mond (eigentlich wäre das die beste Gelegenheit für ihn gewesen, sein berühmtes „What a wonderful world“ zu spielen – warum eigentlich tat er es nicht?) –  und vor 1 Minute springt plötzlich in unserem Büro die Tür auf und Karl-Heinz Müller präsentiert uns triumphierend einen Thermometer, den er eben noch unten am Praia Dona Ana ins Meer getaucht hat:

„Da, sehen Sie sich das an: 18,825!“ Und als wir verständnislos nicken, zieht er einen zerknautschten Prospekt aus seiner Bermudashorts: „Und hier steht schwarz auf weiß! Im August hat der Atlantik bei Lagos 20 Grad!“

Nachtmensch Portugiese

11. August 2009

Ich war im CCL, das ist das Centro Cultural de Lagos, und dort tanzte das Nationalballett – in einem Tempo, das einem allein schon beim Zusehen den Atem raubte. Die Vorstellung begann um 22 Uhr – das ist noch eine moderate Zeit, normalerweise beginnen Konzerte in Portugal um 23 Uhr und man macht sich zwei Stunden vor Mitternacht zusammen mit den Kindern zum Abendessen auf. Nach einer statistischen Untersuchung ist Portugal die Nation in Europa, die am spätesten schlafen geht. Die Nacht gehört der Familie und den Freunden, wann sonst sollte man sie so entspannt sehen?
In einem Land, in dem Firmenmeetings morgens um zwei in Hotelzimmern abgehalten weren (die Angestellten hocken auf dem Boden oder zu siebt auf dem Bett), in dem das Kinderfernsehprogramm um Mitternacht endet, in dem sich die Betreiberin einer Modeagentur morgens um fünf (ein erster Streifen Rot ziert schon den Horizont) von ihrer Sektretärin die Termine der kommenden Woche durchgeben lässt – ist die Nacht zu schade, um sie in schnöder Bewusstlosigkeit im Bett zu verbringen.

Der Spuk im Kulturzentrum war genauso schnell wieder vorbei wie er begonnen hatte: Um 22 Uhr fünf erloschen die Lichter im Auditorium, eine Stimme sagte, wir freuen uns, die Truppe des Nationalballetts bei uns begrüßen zu können, dann fing die Vorstellung ohne weiteren Kommentar an. Eine Pause nach 25 Minuten, dann straff weiter bis zum Finale, langer Applaus, Vorhang, – innerhalb von zehn Minuten war der Ort des Geschehens wie ausgestorben.
Der Portugiese genießt Kultur im Eiltempo. Phantastisch, die Vorstellung – doch nun lasst uns noch flott einen Happen essen und dann schnell bei Filipe vorbei sehen und vielleicht später noch eine kleine Runde durch die Stadt.

Der Küstenwind fegt, die Touristen bummeln, die portugiesischen Jungs knutschen mit ihren Freundinnen, währenddessen sie am Handy fürs Morgengrauen Verabredungen treffen – nachher bei Zé, o.k, está bem, até logo, beijinhos, bis denn!

Rogil II (Impression)

20. Juli 2009

On the road again: manchmal hör ich beim Gehen nur das Schlappen meiner Flip-Flops, sonst nichts. Der Verkehr um diese Tageszeit erfolgt stoßweise. Mal vier bis fünf Autos hintereinander, dann wieder einige Minuten nichts. Der Wind weht und zerwühlt die Gräser. Überall schüttere Zystrosenbüsche, die vom weiten harzig glänzen. Junge Pinien – hie und da der hoch aufragende Blütenstamm einer Agave – gelegentlich Zedern.

Die große Bauruine am Ortseingang erinnert aus der anderen Richtung kommend an ein Walgerippe. Die Gräten sind durcheinander geraten und teils gebrochen – große Fische sind nicht dafür geschaffen, ihr Leben in Staubwüsten zu beschließen.

Ein Sondertransporter. Irgendein undefinierbares Mähgerät, vorne und hinten von blinkenden Eskortfahrzeugen begleitet.

Ein verlassenes, überwuchertes Fußballfeld rechts, dessen Tornetze der Wind zerfetzt.

Wolkenschatten, die großflächig die Straße überqueren.

Und da vorne der Friedhof. Ein weißes Marmorfeld, durchsetzt von einigen schwarzen Granitgräbern unter blauem Himmel, übersäht mit den farbigsten Blumensträußen – unechte Blumen, da ist der Portugiese pragmatisch, behalten ihre Form selbst im heftigsten Küstensturm – und steinerne Gräber muss man nicht pflegen. Die Kapelle, in der auch die Toten aufgebahrt werden, hat ein langes, tiefgezogenes Dach, das Kreuz an der Seite nur aufgemalt und an der Südseite ein einziges Fenster.

(Agostino Antonio)
„Eterna saudade de sua esposa, filhos, noras e netos.“

(Querida Irmã)
“Com muita dor te recordo sempre, e por mim nunca és esquecida“

(Felipa Américo de Jesus)
„Uma lágrima uma flor
é só que te posso dar
até que a minha alma
à tua se vá juntar.“

(Siggi, Feb. 2005)
„Nur die besten sterben jung.“

Es gibt auch Gräber ohne Namen, die sich nur durch ein verwittertes Blechschild mit einer Nummer drauf, voneinander unterscheiden.

Ich geh wieder – aus dem Friedhofstor hinaus, die Landstraße entlang. Links ein verlassener Hof mit einem verrotteten Trecker davor. Dahinter ein lackstumpfer, roter Renault ohne Räder, meckernde Hühnervögel, wucherndes Grün. Auf der Wiese ein Storchennest auf einem Stromüberlandpfosten.

Papa Storch steht am Rande der unordentlichen Behausung und blickt über die Ebene. Dabei kräht er ein bisschen. Als ich hochsehe, erhebt er sich flügelschwingend, legt sich in den Wind und segelt über die Straße auf den sandigen Stoppelacker gegenüber. Dort stelzt er herum, guckt auf die vorbeirasenden Autos – nun aus der Bodenperspektive – fliegt flach ein bisschen weiter, dahin, wo es grüner wird. Steht dumm da. Ich glaube, er wartet nur darauf, dass ich weitergehe, meine Anwesenheit ist ihm nicht geheuer.

Aber ich bleibe noch und setz mich an den Straßenrand, und schreib alles auf.

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